Brevets 2023

Wir fahren durch das Münsterland bis nach Niedersachsen. Zuerst geht es strikt nach Norden. Wir passieren in Velen die Schlossmühle. Genau hier entsteht die Bochholter Aa aus dem Zusammenfluss von zwei kleinen Bächen. Im weiteren Verlauf der Strecke treffen wir immer wieder auf typische Münsterländer Ortschaften, bis wir die Dinkel überqueren und die erste Kontrolle erreichen.
In der einzigen Grafschaft Deutschlands, in Bad Bentheim, sind wir bereits in Niedersachsen. Von nun an ändern wir die Richtung. Um die Radbahn Münsterland zu erreichen, müssen wir in Richtung Süd-Osten fahren. Wir verlassen die Trasse recht schnell, um in direkter Linie die nächste Kontrolle in der Nähe von Havixbeck zu erreichen.
Durch das malerische Stevertal startet die letzte Etappe zurück nach Dorsten. Nachdem die Baumberge hinter uns liegen, kommen wir durch den Merfelder Bruch, die Heimat der Dülmener Wildpferde. Nur einige Wiesen, Wälder und Äcker sind nun noch zu passieren, bis wir unser Ziel, den Förderturm der ehemaligen Zeche Leopold, erreichen.
Aus der Großstadt Dortmund hinaus geht es erstaunlich verkehrsarm. Das aber hat seinen Preis, den wir auf den ersten 8 Kilometern bis zur Hohensyburg mit 200 Höhenmetern zahlen. Die legendären „Serpentinen“ bringen uns dann zur Ruhr und zum Hengsteysee hinab. Jenseits der Ruhr haben wir eine Passage eingebaut, bei der Liebhaber ausgedehnter Gewerbegebiete voll auf ihre Kosten kommen. Das ändert sich ab km 29, wenn wir ins reizvolle Grüner Tal einbiegen. Hier beginnt es so richtig, das Sauerland!
Die etwas mehr als 50 km, die nun folgen, haben es in sich. Bei uns gehen die Meinungen über diesen Part auseinander. Einige nennen es anspruchsvoll, andere bezeichnen es gar als knüppelhart. Über Ihmert, Dahle und den Kohlberg erreichen wir Neuenrade. Nach Werdohl fahren wir dann das zauberhafte Tal der „Schwarzen Ahe“ hinauf. Oben nutzen wir die Hauptstraße Richtung Autobahn nur kurz auf einem ordentlichen Radweg, biegen schnell wieder ab, passieren bei km 72 einen Schlauchautomaten und erreichen dann nach einer etwas schmuddeligen Abfahrt das Ende der Versetalsperre.
Noch einige knackige Kilometer bergauf und wir nähern uns dem höchsten Punkt der Runde, der Nordhelle mit seiner gemütlichen Gaststätte. Bis hier stehen 1.530 Höhenmeter auf dem Tacho. Als Lohn führt uns eine sehr lange Abfahrt zurück ins Lennetal nach Plettenberg, wo wir am Ortsausgang die Strecke auf einem Radweg entlang des Flusses zwar abkürzen, dafür aber kurz vor der B 236 eine kleine Schotterpassage in Kauf nehmen. Gleich danach folgt noch ein langer, aber moderater Anstieg Richtung Allendorf.
Ein Highlight des Brevets folgt nach der Abfahrt mit dem autofreien Radweg am Sorpesee-Ufer. Nicht unbedingt ideal, um mit 40 durchzuballern, aber ein schönes Plätzchen für eine kleine Pause mit Seeambiente. Hinter Hachen ist die B 229 nach Norden leider für einige Kilometer alternativlos, aber es geht gottlob bergab. In Müschede erlöst uns eine Fahrradstraße, bevor wir Hüsten und Neheim passieren.
Hier bietet sich auch eine gute Gelegenheit, Nahrungs- und Getränkevorräte aufzufüllen. Aus Neheim raus trennt uns dann nur noch der Anstieg zum Haarstrang hinauf vom Flachland, wo wir in Welver von freundlichen Kiosk-Mitarbeiterinnen erwartet werden.
Die abschließenden 45 km verlaufen gemächlich über eine perfekte Bahntrasse und auf Fahrradstraßen durch Unna, bevor uns der auf den Flächen eines alten Stahlwerks angelegte Phönixsee in Dortmund einen letzten optischen Genuss bietet. Bei gutem Wetter stark frequentiert, empfiehlt sich auch hier moderates Tempo. Der Westteil des Stahlwerks zeigt sich bei der Durchfahrt als modernes Gewerbegebiet, bevor wir noch die beiden letzten Kilometer bis zum „Goldenen Erntekranz“ ansteuern.
Nach dem Start in Dorsten fahren wir zunächst der aufgehenden Sonne entgegen. Wir kommen durch das ehemalige Sperrgebiet Borkenberge und erreichen hinter Senden den Dortmund-Ems-Kanal. Auf der neu asphaltierten Trasse ist morgens noch nicht so viel los und es rollt gut. Bei Münster-Hiltup verlassen wir den Kanal und fahren weiter nach Osten, um die erste Kontrolle zu erreichen. Erst danach biegen wir nach Norden ab und überqueren die Ems.
Langsam kommt der Teutoburger Wald in Sicht und es geht hügelig weiter, bis wir zum östlichsten Punkt der Strecke kommen. Ab hier orientieren wir uns in die entgegengesetzte Richtung. Südlich von Osnabrück führt uns die Strecke über Obstwiesen, durch Wälder und durch kleine Ortschaften, bis wir den Mittellandkanal überqueren. Nur wenige Kilometer später kommen wir zur Kontrolle. Hier können wir uns verpflegen und das letzte Drittel der Strecke angehen.
Zunächst müssen wir die letzten Hügel überwinden und erneut über den Dortmund-Ems-Kanal. Ab Rheine sind wir wieder im flachen Gelände unterwegs. Wir bewegen uns durch typische Münsterländer Land- und Ortschaften. Meist auf verkehrsarmen, ruhigen Straßen und asphaltierten Feldwegen geht´s zielstrebig nach Süden. Wir kommen immer wieder an Schutz- und Bauernhütten vorbei, die eine gute Möglichkeit zum Pausieren oder zur Verpflegung bieten, bevor wir unser Ziel in Dorsten erreichen.
Unsere lange Tagesreise beginnt am Werdener Markt unweit des Kloster Werden, das seit dem 9. Jahrhundert über dem Ort wacht. Heute befindet sich im ehemaligen Klostergebäude der Hauptsitz der Folkwang-Kunsthochschule.
Das ersten Kilometer sind – wir geben es zu – so wie man sich ein Ballungsgebiet vorstellt. Die B 229, Großstadt halt, Autoverkehr, dazu noch bergauf. Das ändert sich bald radikal und schon nach wenigen Kilometern fragen wir uns erstaunt, was den Ruhrpott vom Allgäu unterscheidet? Ehrlich gesagt, nicht viel, wenn man das traumhafte Felderbachtal durch die Elfringhauser Schweiz fährt. Hügel und Anstiege am Bach entlang, so werden viele das Ruhrgebiet nicht erwartet haben. Aber Kenner der Region wissen, dass das bergische Land hier nicht weit ist. Dass der Name gut passt, wird nach den folgenden 80-100 Kilometern niemand mehr anzweifeln. Über kleine hügelige Straßen kommen wir über Velbert nach Wuppertal.
Wuppertal, jahrzehntelang ein Albtraum für Radfahrer hat sich gewandelt. Die Nordbahntrasse und unser Teilstück entlang der Remscheider Bahn haben dafür gesorgt, dass das einstige Schmuddelkind sich inzwischen einen Platz in der ersten Bahntrassen-Liga erobert hat. Hinaus geht es entlang der Wupper, bis uns ein sanfter Anstieg nach Remlingrade führt. Bis zur Kontrolle im schmucken kleinen Wipperfürth hügeln wir uns durchs Bergische Land und passieren die Bevertalsperre.
Hinter Gummersbach geht es wieder bergauf, zunächst gemächlich auf einer Bahntrasse. Bis wir nach einem fiesen Anstieg froh sind, einen weniger steilen Anstieg auf der einzigen Schotterpiste der Runde, nach Blockhaus hinauf, zu finden. Hier hoch oben im Bergischen Land befindet sich ein ein kleines Skigebiet. Tendenziell geht es danach erst mal hinab, zum Schluss wieder mal auf einem sehenswerten Bahntrassenabschnitt bis Freudenberg zur dritten Kontrolle und dem südlichen Wendepunkt.
Ein guter Ort, um Magen und Getränkeflaschen zu füllen, denn nach dem Verlassen des Fachwerkstädtchens kommen wir nicht umhin wieder das kleine Blatt zu nutzen, bis wir nach Olpe hinab rollen können. Ab Olpe sehen wir bald aber wieder Höhenmeter, denn wir nähern uns ab Rehringhausen dem höchsten Punkt des Brevets mit schon mal knackigen zweistelligen Abschnitten.
Das Gröbste ist danach geschafft, wir kommen nun ins Lennetal, biegen in Finnentrop ab, um dem legendären „Sauerland-Radring“, eine Kombination stillgelegter und nun autofreier Bahntrassen, anzusteuern. Durch den 689 Meter langen Fledermaustunnel bei Kückelheim und an Eslohe vorbei erreichen wir den Ort Berge. Hier verlassen wir die Trasse und kommen ein paar Hügel und eine herrlich lange Abfahrt später nach Sundern. Eine Tankstelle und ein Supermarkt bieten nochmal Gelegenheit, sich bis zur letzten Kontrolle in Schwerte zu versorgen. Den Dortmunder und später auch den Bochumer Süden queren wir in Abschnitten, die nur wenig davon erkennen lassen, dass wir uns in Großstädten aufhalten. Lediglich in Witten geht es durch die City, aber nicht lange. Nur noch zwei Highlights sind wir nun vom Ziel unserer Reise entfernt. Zunächst der Springorum- Radweg, der uns sanft abfallend zur Ruhrbrücke bei Dahlhausen bringt und später die Promenade des Essener Baldeneysees, idealerweise kurz vor Sonnenuntergang mit Blick auf die Villa Hügel am anderen Ufer. Noch eine letzte Handvoll der insgesamt 3.800 Höhenmeter und wir stehen wieder da, wo wir am Morgen losgefahren sind.
Aus Dortmund heraus geht es wellig, aber immer leicht ansteigend auf den Haarstrang, auf dem wir ein Stück der Bundesstraße folgen. Diese bringt uns zügig nach Osten und belohnt uns immer wieder mit schönen Ausblicken auf die Soester Börde und auf der anderen Seite ins Möhnetal.
Hinter Rüthen wartet dann der erste längere, aber gut zu fahrende Anstieg des Brevets auf uns, bei der folgenden schnellen Abfahrt nach Nuttlar hilft eine ordentliche Beleuchtung. Wichtig: hier an der Tankstelle sollten, falls nötig, die Getränkevorräte aufgefüllt werden, denn danach gibt es bis Winterberg nachts nichts zu kaufen. Über das wunderschöne Eilpetal und Siedlinghausen steigt die Strecke nun bis Altastenberg an, bevor wir uns der Stichstraße nähern, die zum „Dach der Tour“, dem Kahlen Asten führt.
Logisch, dass es nach dem höchsten Punkt zunächst sehr viel bergab geht. Allerdings wartet das Terrain bis Bad Arolsen auch mit einigen knackigen Gegenanstiegen auf. Auf dem Weg zur Weser fahren wir durch Warburg mit seinen Verpflegungsmöglichkeiten. In Beverungen an der Weser ist dann der Wendepunkt des Brevets erreicht.
Ab Beverungen geht es nur noch nach Westen zurück, auf einem landschaftlich reizvollen Abschnitt mit wenig Verkehr, zuerst bergauf, dann wellig, bis wir ab Niesen dem schönen Radweg bis Willebadessen folgen. Hinter dem Ort wartet allerdings der, trotz Kahler Asten, härteste Anstieg des Brevets. Als Orientierung dient uns dabei der Fernsehturm, denn der ist ganz oben. Nach zwei weiteren Zacken im Streckenprofil kommen wir hinter Niedertudorf endgültig ins Flachland, das wir für die mehr als 100 Km bis ins Ziel nicht mehr verlassen werden.
Essen und Trinken gibt es unterwegs in Lichtenau, Geseke oder Bad Westernkotten, bevor wir den schon vom 200er bekannten Kiosk in Welver ansteuern. Die abschließenden 45 km verlaufen wie schon beim 200er gemächlich über eine perfekte Bahntrasse und auf Fahrradstraßen durch Unna und das Dortmunder Stadtgebiet bis zum Ziel, dem Kleingarten „Goldener Erntekranz“.
Unser langer Wochenendausflug startet auf den ersten Kilometern flach und nahezu unspektakulär. Entlang der Ruhr fahren wir Richtung Rhein, überqueren diesen in Düsseldorf über die Flughafenbrücke, schlängeln uns an Neuss und Mönchengladbach vorbei, wobei wir größere Straßen und dichter besiedeltes Gebiet weitgehend vermeiden, bis wir irgendwann die Ausläufer der Eifel am Horizont erkennen.
Die Eifel war schon immer eher strukturschwach und ohne größere Industrieansiedlungen, dafür ist sie aber ein Traum für Radfahrer:innen. Sie ist auch die erste von vier wesentlichen Landschaftsregionen, die dieses Brevet ausmachen. Später folgen noch das Moseltal, der Westerwald und das bereits vom 300er Brevet bekannte Bergische Land.
Die Eifel durchqueren wir meist entlang von Bach- und Flusstälern, trotzdem warten dazwischen immer wieder auch längere Anstiege. Wir sind aber noch frisch, so freuen wir uns über die schönen Fernblicke und rasenden Abfahrten. In Kall, Prüm und Bitburg kommen wir durch drei größere Orte, so dass die Versorgung trotz der meist abgeschiedenen Landschaft kein Problem sein sollte. Eine wunderschöne Abfahrt über ein wie für uns gebautes kleines Sträßchen bringt uns in Kylltal, dem wir bis zur Mosel und weiter nach Trier folgen, der Geburtsstadt von Karl Marx, an den hier eine von der Volksrepublik China gestiftete Statue erinnert.
In Trier gibt es alles, was das Radlerherz begehrt. Das sollten wir natürlich nutzen, wird es doch langsam dunkel und eine lange Nacht an der Mosel liegt vor uns, in der wir uns höchstens an 24-Stunden-Tankstellen verpflegen können. Die Großstadt verlassen wir nicht direkt an der Mosel, stattdessen kürzen wir ein paar Flussschleifen über die Wittlicher Senke ab. Leicht hügelig fahren wir dahin, bevor der „Reiler Hals“ uns kurz vor Zell endgültig ins Moseltal bringt. Ab hier fahren wir vollkommen flach auf größeren Straßen, oft mit guten Radwegen, durch die Nacht Richtung Koblenz, wo sich ein kurzer Abstecher zum Deutschen Eck lohnen könnte.
In Koblenz überqueren wir den Rhein, folgen dem Rheinradweg ein Stückchen flussabwärts, bevor wir in Bendorf in das Sayntal abbiegen. Mittlerweile ist es Sonntagmorgen und wir hoffen auf die erste geöffnete Bäckerei. Spätestens in Altenkirchen sollte sich da was finden lassen. Im Westerwald folgen wir wieder möglichst den vielen kleinen Flusstälern, mit mittlerweile deutlich über 400 Kilometern in den Beinen sollte man die Gegend aber nicht unterschätzen.
In Au erreichen wir das Siegtal, das uns für ein paar Kilometer begleitet, bevor wir über ein malerisches Seitental ins Bergische Land vordringen, bekannt und gefürchtet für seine giftigen Rampen. Wir bemühen uns, diese Rampen weitgehend zu vermeiden (was nicht immer gelingt) und gleichzeitig dem stärker werdenden sonntäglichen Ausflugsverkehr aus dem Weg zu gehen, und kommen so schließlich nach Wipperfürth. Wippertalbahn und Balkantrasse bringen uns von dort nach Wuppertal, der Geburtsstadt von Friedrich Engels, dem hier ein Denkmal gewidmet ist, ebenfalls gespendet von der Volksrepublik China.
Wuppertal war jahrzehntelang ein Albtraum für Radfahrer:innen und auch heute ist es abseits der schön ausgebauten Bahntrassen nicht immer einfach. Das bekommen auch wir zu spüren, wenn wir uns nach Norden steil bergauf aus dem Tal hocharbeiten. Oben angekommen ist es aber so gut wie geschafft und über das Deilbachtal, die historische Grenze zwischen Rheinland und Westfalen, kommen wir an die Ruhr und somit zurück an unseren Startpunkt, wo wir bei Pizza & Pasta die letzten zwei Tage Revue passieren lassen.